Das Kieler Ordnungsamt hat eine für Samstag, den 10.2.18, im Kieler Stadtteil Gaarden geplante Auftaktkundgebung einer Demonstration gegen die türkischen Angriffe auf kurdische Siedlungen und Stellungen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG/YPJ in Syrien, welche von einem Mitglied der Partei DIE LINKE angemeldet wurde, per Auflagenbescheid in die Innenstadt verlegt. Die Demonstration wird nun um 15 Uhr am Lorentzendamm starten.
In dem Auflagenbescheid heißt es: „Es ist zu erwarten, dass die türkische bzw. kurdische Bewohnerschaft in Kiel-Gaarden bezüglich des Versammlungsthemas der für den 10.02.2018 angemeldeten Versammlung kontroverser Ansicht ist. Bei der letzten bestätigten Versammlung in Kiel-Gaarden im Dezember 2016, bei der der türkisch-kurdische Konflikt thematisiert wurde, kam es zu schweren Auseinandersetzungen, Gewalt – und Straftaten. Die räumliche Lage insbesondere an und um den Vinetaplatz ist durch ein „Straßengewirr“ mit vielen in diesen Häusern befindlichen Anwohnerinnen und Anwohnern gekennzeichnet. Ein Auseinanderhalten von unbeteiligten Anwohnerinnen und Anwohnern, friedlichen und nicht friedlichen Versammlungsteilnehmerinnen und Versammlungsteilnehmer ist im Eskalationsfall nicht möglich. Die Landeshauptstadt Kiel als Versammlungsbehörde hat deshalb seit Dezember 2016 Anmelderinnen und Anmelder im Rahmen von Kooperationsgesprächen gemeinsam mit der Polizei bei angemeldeten Versammlungen im Zusammenhang mit dem kurdisch-türkischen Konflikt für den Bereich Kiel-Gaarden/Vinetaplatz überzeugen können, die Versammlungsroute aus Deeskalationsgründen zu verlegen und würde dies auch zukünftig bei Anmeldungen „beider Lager“ entsprechend praktizieren.
Zum Schutze sämtlicher Anwohnerinnen und Anwohner des Stadtteils Kiel-Gaarden wird die angemeldete Versammlung daher wie in dieser Bestätigung bezeichnet verlaufen.“
Die Rote Hilfe Ortsgruppe Kiel und das Kurdistan Solidaritäts-Komitee Kiel bewerten ebenso wie die Partei DIE LINKE die Verlegung der Demonstration per Auflagen sowie die offensichtliche Praxis, Versammlungen zum Thema Kurdisten-Türkei in Gaarden nicht zuzulassen als faktisches Demonstrationsverbot für Kurd_innen in Gaarden, auch wenn die Stadt jetzt in der Presse versucht zurückzurudern, „ein ‚Verbot‘ nie ausgesprochen zu haben“.
Die von Ordnungsamt und Polizei angeführten Geschehnisse im Dezember 2016 sind im Kontext eines Aufmarsches von Anhänger_innen Erdogans und der Grauen Wölfe auf dem Vinetaplatz zu betrachten. Dieser Aufmarsch unter der Beteiligung nationalistischer und faschistischer Gruppen rief den legitimen Widerstand von Antifaschist_innen, Linken, Kurd_innen und Gaardener Anwohner_innen hervor, wie es jeder andere Naziaufmarsch auch getan hätte. Diese Vorfälle für ein faktisches Verbot jeglicher kurdischer Solidaritätsdemonstrationen zu nutzen, entbehrt jeder rechtlichen Grundlage.Des weiteren wird in dem Auflagenbescheid detailliert beschrieben, welche Fahnen und Symbole der kurdischen Bewegung erlaubt, bzw. verboten sind. Besonders wird dabei noch mal hervorgehoben, dass nach Auffassung der Staatsanwaltschaft Kiel bereits aus dem Zeigen eines (Unterstreichung im Original) Öcalan-Bildes ein Anfangsverdacht einer Straftat nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG vorliege. Auch Symbole der in Deutschland nicht verbotenen Organisationen YPG/YPJ fallen hierunter.
Die Kieler Behörden machen sich damit ebenso wie die Bundesregierung zu Handlangern des autoritären türkischen Regimes, welches seit dem 19.01. mit Hilfe verbündeter islamistischer Milizen Afrîn, den westlichen Kanton Rojavas (Nord-Syrien), angreift. Der türkische Staatspräsident Erdoğan hatte verkündet, die südliche Grenze der Türkei „vom Terror säubern zu wollen“. Gemeint ist damit nicht, den in der Region wütenden sog. Islamischen Staat anzugreifen, der, ganz im Gegenteil sogar finanziell und militärisch von der Türkei unterstützt wird, stattdessen gilt die Militäroffensive dem basisdemokratischen und selbstverwalteten Gesellschaftsmodell, welches in den vergangenen Jahren in Rojava errichtet wurde.
Die Rote Hilfe Ortsgruppe Kiel und das Kurdistan Solidaritäts-Komitee Kiel werden das weitere Vorgehen der Kieler Behörden genau beobachten und ggf. zusammen mit der kurdischen Bewegung und Unterstützer_innen rechtliche Schritte gegen dieses faktische Demonstationsverbot in Gaarden prüfen. Des weiteren fordern wir ein Ende der Unterstützung des türkischen Regimes durch die deutsche Bundesregierung, Stopp der Waffenlieferungen und die Aufhebung des PKK-Verbots in Deutschland!