SAMSTAG, 10. FEBRUAR 2018 | KIEL
Demonstration | 15 Uhr | Lorentzendamm (Sparkasse)
Mi., 7.2.18: Kundgebung 15 Uhr vorm CDU-Parteibüro (Sophienblatt 44)
Do., 8.2.18: Kundgebung 15 Uhr vorm SPD-Parteibüro (Kleiner Kuhberg 28)
Vor knapp dreieinhalb Jahren, im Oktober 2014, gingen wir zusammen mit hunderttausenden Menschen weltweit auf die Straßen, um unsere Soldarität mit dem Widerstand in Kobane Ausdruck zu verleihen. Die westkurdische Grenzstadt in der Kommune von Rojava war zu diesem Zeitpunkt heftigen Angriffen der fundamentalistisch-terroristischen Miliz „Islamischer Staat“ (IS) ausgesetzt, alles unter den Augen der lange untätigen Weltöffentlichkeit und mit Unterstützung des “IS” durch die Regierung des NATO-Mitglieds Türkei. Die Kämpfer_innen der kurdischen Verteidigungskäfte YPG und YPJ konnten die Angriffe mit erbittertem Widerstand und Entschlossenheit zurückschlagen und damit nicht nur der Barbarei des “IS” in der Region ein Ende setzen sondern auch die libertär-sozialistischen Ideen des Demokratischen Konföderalismus und die Strukturen einer egalitären, selbstverwalteten und friedlichen Gesellschaft verteigen.
Seit knapp drei Wochen sind wir wieder auf der Straße, weil diese Ideen erneut angegriffen werden. Und obwohl die teils barbarische Art der Kriegsführung daran erinnert, ist diesmal nicht der “IS” Hauptakteur dieses Angriffs sondern die Türkei unter Präsident Erdogan. Seit dem 19.1. greift das türkische Militär mit Hilfe verbündeter islamistischer Milizen und islamofaschisticher Banden Afrîn, den westlichen Kanton Rojavas, an. Erdoğan spricht davon, die südliche Grenze der Türkei „vom Terror säubern zu wollen“, womit er explizit Kurd_innen adressiert, die vermehrt die Region im syrisch-türkischen Grenzgebiet besiedeln Mit diesen Angriffen verfolgt der Diktator ein doppeltes Ziel gegen die kurdische Bewegung. Zum einen soll das durch und durch nationalistisch-nationalstaatliche System der Türkei, welches ausschließlich die Existenz von Türk_innen anerkennt und alle anderen Identäten – ob Kurd_innen, Alevit_innen oder Assyrer_innen negiert, durchgesetzt werden. Auf Grundlage dieser türkischen Identitätspolitik werden seit 90 Jahren immer wieder türkische Massaker an Kurd_innen ausgeübt.
Neben den Angriffen auf Afrin, führt die Türkei seit zwei Jahren einen vor allem in Nordkurdistan eskalierenden Krieg, wo der türkische Staat mit Unterdrückung, Massakern und einer schwerwiegenden Assimilationspolitik auf die Forderungen nach politischen, sozialen, kulturellen und ökonomischen Rechten reagiert. Vom Militär durchgesetzte Ausgangssperren, zerstörte Innenstädte, die Absetzung demokratisch gewählter Politiker_innen, Verbote von Vereinen, Kultur- und Hilfseinrichtungen sowie der massenhafte Verstoß gegen Menschenrechte sind in den kurdischen Siedlungsgebieten zur alltäglichen Realtiät geworden. Auch in den anderen Teilen der Türkei werden oppostionelle, linke und kurdistansolidarische Strukturen, Menschen, Parteien und Medien mit Zensur, Verboten und Gewalt überzogen, legitimiert und intensiviert durch den, seit dem Putschversuch im Juli 2016, verhängten Ausnahmezustand.
Darüber hinaus richtet sich der Angriff gegen das selbstverwaltete Gesellschaftsmodell des Demokratischen Konföderalismus in Rojava. Neben Kobane und Cizire ist Afrin der dritte und westlichste Kanton Rojavas, wo sich unter Einfluss der kurdischen Bewegung seit 2012 Strukturen eines basisdemokratischen, geschlechtergerechten und ökologischen Zusammenlebens über die künstlichen Grenzen der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Bevölkerungs- oder Religionsgruppen hinweg herausgebildet haben. Dieses Projekt ist nicht nur für türkische Nationalist_innen und religiöse Fundamentalist_innen ein Graus, sondern es könnte langfristig auch zur Herausbildung eines stabilen Zusammenlebens im Mittleren Osten unter fortschrittlichen Vorzeichen beitragen, die den Zugriff des Westens auf diese Region, genauso wie die Ideologie der Alternativlosigkeit im hiesigen politischen Mainstream erschüttern könnte.
Die Verteidigung gegen die Angriffe der Feinde Rojavas, ob vom “IS” oder vom türkischen Staat, ist mehr als die Verteidigung eines Territoriums. Die Verteidigung Kobanes und die Verteidigung Afrins, ist die Verteidigung der Revolution in Rojava. Und genau das ist auch der Grund, warum trotz militärisch-technischer Überlegenheit, weder der “IS” in der Lage war Kobane einzunehmen und aktuell auch die türkischen Besatzunstruppen gegen die unendliche Opferbereitschaft und den erbitterten Widerstand der Bevölkerung Afrins und der in den Reihen der YPG/YPJ kämpfenden Genoss_innen nicht durchkommen.
Genau darin liegt begründet, warum wir Rojava auch hier auf den Straßen von Kiel verteidigen müssen. Erdal Firaz, ein Verteter der kurdischen Befreiungsbewegung sagte jüngst, dass die einzigen wirklichen Bündnispartner_innen Rojavas, die weltweiten feministischen, ökologischen, demokratischen und sozialistisch-revolutionären Bewegungen waren und sind. So wie es den sicheren Widerstand der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten Afrins braucht, braucht es auch die Unterstützung der internationalistischen Genoss_innen in Deutschland und auf der ganzen Welt.
“Das wichtigste ist, dass die revolutionären Kräfte in Deutschland aufhören in den klassischen Kategorien von Solidarität und Unterstützung zu denken. Es geht beim Kampf um Afrin nicht darum den Opfern der Aggression Erfolg zu wünschen oder ein Beileid auszusprechen. Auch geht es nicht darum irgendjemanden einen Hilfsdienst zu leisten. In Afrin wird nicht nur für die Menschen dort gekämpft, in Afrin wird die internationale Revolution verteidigt. Deshalb geht nicht auf die Straßen für die Menschen dort, geht auch auf die Straße für euch selbst, für die eigene Befreiung, im eigenen Land. Der Kampf um Befreiung ist international oder er ist gar nichts. Diese Realität muss gut begriffen werden. Wir sind alle Teil ein und des selben weltumspannenden Freiheitskampfes. Wir kämpfen lediglich an verschiedenen Abschnitten der Front. Es gilt das richtige Verständnis von wirklichem revolutionärem Internationalismus neu aufzurichten. Jeder Meter Boden der in Afrin verteidigt wird, gehört uns allen, gehört den Revolutionär_innen dieser Erde. Rojava ist das Land aller Menschen, die weltweit die Hoffnung auf Freiheit noch nicht aufgegeben haben und als solches muss es auch verteidigt werden. Nicht nur die Kurd_innen und die anderen Völker der Region werden etwas verlieren sollte Afrin fallen. Vor allem allem die internationale revolutionäre Linke wird verlieren.” (Erdal Firaz)
Tragen wir unseren Teil dazu bei, dass Afrin nicht fallen wird! Gehen wir weiter und immer wieder auf die Straße und benennen wir die mörderische Politik des türkischen Staats! Kippen wir die Verbote und Repressionen gegen kurdische Strukturen in der BRD! Stoppen wir die Rüstungsexporte und die Waffengeschäfte zwischen Deutschland und der Türkei! Bauen wir Räte und egalitäre Selbstverwaltungsstrukturen auf, von Straße zu Straße, von Stadtteil zu Stadtteil! Arbeiten wir weiter im Hier und Jetzt daran, dass der Hoffnungsschimmer von Rojava verteidigt und eines Tages zu einem weltweiten revolutionären Leuchtfeuer wird!
Biji Berxwedana Afrine – die soziale Revolution verteigen!
Hoch die internationale Solidarität!
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